Sofia Hultén
Mutual Annihilation
24.05.–31.08.08Destruktion und Kreation, Ordnung und Chaos sind Begriffpaare, die das Werk von Sofia Hultén prägen. Ausgehend von einer eingangs entwickelten Fragestellung geht die schwedische Künstlerin in ihren Aktionen der Beschaffenheit von Gegenständen, der Materialität von Objekten auf den Grund. Die Zerlegung von Dingen erfolgt dabei ebenso systematisch wie die Eingliederung der Versatzstücke in neue Zusammenhänge. So werden Materialeigenschaften wie -funktionen untersucht und skulptural nach dem Wert geforscht, welchen wir Gebrauchsgegenständen beimessen. Zeugnis dieser künstlerischen Eingriffe bilden Videoaufnahmen, Fotografien oder die bearbeiteten Objekte selbst. Für ihre Ausstellung im Künstlerhaus Bremen wird Sofia Hultén eine mehrteilige Arbeit realisieren, die den Kreislauf von Entstehung, Wandel und Zerfall unterwandert. Durch Umkehrung kausaler Prozesse irritiert sie unser Geflecht aus Ordnungsgefügen und Folgerichtigkeiten. Mutual Annihilation beginnt dort, wo es endet, bewegt sich gleichzeitig vorwärts und rückwärts ohne stehen zu bleiben.
Anlässlich der Ausstellung erscheint in Zusammenarbeit mit der Ikon Gallery, Birmingham eine zweisprachige Publikation, die Sofia Hultén’s Werk seit dem Jahr 2001 dokumentiert.
PROGRAMM
05. Juni 2008, 19.30 Uhr Künstlergespräch mit Sofia Hultén.
In ihrer Ausstellung Mutual Annihilation im Künstlerhaus Bremen setzt sich die schwedische Künstlerin mit der Dimension Zeit auseinander und hinterfragt deren Gültigkeit und Wirkungsgrad, indem sie den natürlichen Zyklus aus Entstehung, Wandel und Zerfall unterbricht. Der Terminus Mutual Annihilation entstammt der Teilchenphysik und bezeichnet das Phänomen der gegenseitigen Aufhebung: Trifft ein Elektron auf ein Positron erlischt zwar die Materie, doch gleichzeitig wird Energie in Form eines Lichtblitzes freigesetzt. Damit verbunden ist der Gedanke, dass ein Positron manchmal als ein in der Zeit zurückgehendes Elektron interpretiert wird. Dieses innere Prinzip greift auch Sofia Hultén auf, wenn sie bereits gebrauchte Objekte in ihren Originalzustand rückversetzt, um schließlich wieder beim Ausgangszustand zu landen. Zwei entgegengesetzte Bewegungen heben sich nicht vollständig auf, sondern generieren gleichzeitig eine neue Struktur.
19. Juni 2008, 20 Uhr Vernichtung und Erzeugung in der Teilchenphysik, Vortrag von Prof. Dr. Jörn Bleck-Neuhaus, Physiker.
Der Ausstellungstitel Mutual Annihilation knüpft an ein Phänomen aus der Teilchenphysik an, das an diesem Abend im Zentrum stehen soll. Mutual Annihilation (Vernichtung auf Gegenseitigkeit) ist der in der Physik beobachtete Vorgang, bei dem die Natur Materie wegzaubert und sich in Strahlung auflösen lässt. Im Vortrag geht es darum, wie dieses Phänomen entdeckt wurde, obwohl es im Alltag nicht vorkommt, sowie dass es auch rückwärts ablaufen kann (Pair Creation = Erzeugung paarweise). Bleibt denn gar nichts erhalten? Am Ende nicht einmal die Richtung der Zeit von gestern nach morgen?
10. Juli 2008, 19.30 Uhr Objektgeschichten. Eine kleine Geschichte nicht zu kontrollierender Gegenstände im Film, Vortrag von Dr. Rainer Vowe, Medienwissenschaftler.
Wenn Kamele weinen, Pinguine sprechen, „nachts im Museum“ gesammelte Zeugnisse der Vergangenheit zu leben beginnen, dann sind wir im Kino und erleben Technik, Macht und Listen filmischer Phantasie. Selbstverständlich gehört es auch und gerade zum Vermögen des Kinos, Dingen, Sachen oder Objekten, ein Eigenleben zu gewähren und damit die Souveränität der Subjekte heraus zu fordern. Dazu wird der Vortrag drei unterschiedliche filmische Verfahren vorstellen und zeigen: im Slapstick-Kino ist es die berühmte „Tücke des Objekts“, die auf der Bananenschale ausrutschen lässt, Schabernack mit den Menschen treibt oder an den Rand der Verzweiflung bringt. Im Horror-Film sind es Gegenstände, die außer Kontrolle geraten dem Kommando der Zivilisation nicht mehr gehorchen, sondern von anderen, nicht selten tödlichen Mächten dirigiert werden; es kann zu einem „Aufstand der Dinge“ kommen. Und drittens: bei Jacques Tati, dem französischen Regisseur von z.B. Die Ferien des M. Hulot oder Playtime, werden die Dinge auf eine andere Art zu selbständigen Akteuren: sie werden nicht nur im Bild präsentiert, sondern erhalten auf der Tonspur denselben Rang wie die menschliche Stimme: Türen, Sessel oder Reifen agieren durch die Geräusche, die sie von sich geben. Alle drei Verfahren zeigen Objekte als Dinge, die mehr sind als bloße Funktionsträger.
Führungen: 26. Juni 2008, 19 Uhr; 19. Juli 2008, 16 Uhr; 9. August 2008, 16 Uhr